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Jul 05

AfD-Vize sieht rechtsextreme Tendenzen – und tritt zurück

Werbematerial für die AfD im Kampagnenbüro für die BundestagswahlFoto: dpa/Maurizio Gambarin

Erneut wird die AfD aus den eigenen Reihen wegen Neonazi-Verbindungen attackiert – diesmal in Thüringen. Die Partei versichert: „Wir haben kein Nazi-Problem.“

Die Stellvertreterin von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, Steffi Brönner, ist zurückgetreten. Wie die „Thüringer Allgemeine“ berichtet, wirft sie der Landespartei vor, rechtsextremes Gedankengut „salonfähig“ werden zu lassen. „Die AfD besetzt in Thüringen zentrale Funktionen mit Personen, die in ihrer Vergangenheit tief im rechtsextremistischen Bereich tätig waren“, sagte Brönner. Thüringens AfD-Sprecher Torben Braga bestätigte auf Tagesspiegel-Anfrage den Rücktritt. Die Landespartei warf Brönner vor, aus Enttäuschung über eine verfehlte Nominierung als Bundestagskandidatin das Handtuch geworfen zu haben.

Keiner ihrer Vorstandskollegen könne in der Sache von Unwissenheit sprechen, sagte Brönner der „Thüringer Allgemeinen“, die sich bei ihrer Kritik an der Seite von AfD-Bundeschefin Frauke Petry sieht. „Eine ganz normale zweiminütige Internetrecherche zeigt die entsprechende Vergangenheit auf“, erklärte sie. „Es drängt sich für mich unweigerlich der Verdacht auf, dass diese Personen bewusst in entsprechende Funktionen berufen worden sind.“

Anstoß für Brönners Alarmruf ist dem Zeitungsbericht zufolge ein Vorgang aus dem südthüringischen Ort Themar, wo zwei Konzerte mit rechtsextremem Hintergrund stattfinden sollten. Mit involviert war das AfD-Mitglied Bodo Dressel. Dressel wollte den Veranstaltern die Fläche zur Verfügung stellen. Er hat seinen Austritt aus der Partei angekündigt – unklar war nach Parteiangaben vom Mittwoch, ob er schon vollzogen ist.

Die Nachrichtenagentur dpa zitierte aus der Mail von Brönner, in der sie ihren Rücktritt als Parteivize erklärte. Demnach will sie zunächst Mitglied der Partei bleiben. Die AfD verlasse immer mehr den Weg als konservative, bürgerlich-liberale Partei und entwickle sich „durch Strömungen und Bewegungen hin zu einer rechtsnationalen Partei“. Brönner fragt: „Ist es jetzt ein Muss in Thüringen, alles gut zu finden, was Björn sagt und tut?“ Der Wähler müsse wissen, ob die AfD eine konservative bürgerlich-liberale Oppositionspartei sei, „oder ob sich die AfD weiter langsam, aber stetig ganz nach rechtsaußen/rechtsextrem hinbewegt“.

„Ich sehe dich als verwirrten Geschichtsromantiker“

In ihrem Schreiben äußert Brönner Zweifel daran, dass Höcke noch mit beiden Beinen auf dem Boden der Demokratie steht. Wörtlich heißt es: „Ich sehe dich persönlich mittlerweile als verwirrten Geschichtsromantiker.“ Brönners Rücktrittsschreiben dokumentiert einen tiefen Riss, der durch die Partei geht. Die AfD-Politikerin schreibt, sie sei aufgefordert worden, sich für ein Treffen mit Parteichefin Petry zu rechtfertigen. Ein Stadtverband sei aufgefordert worden, AfD-Bundesvorstandsmitglied Georg Pazderski von einer Wahlkampfveranstaltung auszuladen, weil dieser das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke unterstützt habe.

AfD-Vize Möller: „Nazi-Problem? Totaler Nonsens“

Thüringens AfD-Chef Höcke befand sich am Mittwoch im Urlaub und wollte den Vorgang nicht kommentieren. Sein Stellvertreter Stefan Möller sagte, der Rückzug von Brönner sei „sehr schade und enttäuschend“. Möller führte die Entscheidung von Brönner auf persönliche Enttäuschung zurück. In einem Rundbrief an die Mitglieder warf die AfD-Landesspitze Brönner vor, der Partei „bewusst einen schweren Schaden im Vorfeld der Bundestagswahl im September“ zugefügt zu haben.

Steffi Brönner, bisherige Stellvertreterin von Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke

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Steffi Brönner, bisherige Stellvertreterin von Thüringens AfD-Landeschef Björn HöckeFoto: AfD Thüringen/dpa

Brönner sei mit ihrer Bewerbung für einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Bundestagswahl gescheitert und habe sich von einer „300-prozentigen Höckejanerin“ – die sie nach der Höcke-Rede im Januar im Dresdner Ballhaus Watzke noch gewesen sei – zur angeblichen Verbündeten von Petry gewandelt, sagte Möller dem Tagesspiegel. „Das ist ein durchsichtiges Manöver“, sagte Möller. Der AfD-Vize warf seiner bisherigen Kollegin vor, ihre Kritik nie im Landesvorstand thematisiert zu haben.

Möller bestritt, dass die Vorwürfe, rechtsextremes Gedankengut werde in der AfD salonfähig, berechtigt seien. Er verwies auf zwei laufende Parteiausschlussverfahren gegen einfache AfD-Mitglieder in Thüringen – in einem Fall geht es um Verbindungen zum rechtsextremen Pegida-Ableger Thügida, im anderen um andere Kontakte ins Neonazi-Milieu. Die AfD stehe für eine klare Abgrenzung in den rechtsextremen Bereich, jedoch „auf der Basis von Fakten und nicht auf Grundlage von unseriösen und nebulösen Behauptungen“. Möller sagte: „Bei uns gibt’s kein Nazi-Problem in der AfD. Das ist totaler Nonsens.“

Brönner in internem Chat: „Björn bleibt“

Gegen Höcke selbst läuft seit einigen Wochen ein Parteiausschlussverfahren – allerdings mit vagen Aussichten auf Erfolg. Die Bundesspitze unter Petry begründet es unter anderem mit dem Vorwurf, Höcke habe unter Pseudonym die rechtsextreme NPD gelobt.

Belegt wird Brönners Verbundenheit mit Höcke durch dem Tagesspiegel vorliegende interne Chat-Protokolle. Nach der Kritik an der Rede von Höcke im Januar in Dresden schrieb Brönner am 21. Januar: „Der Wind dreht sich schon wieder deutlich Richtung Björn. Wunderbar.“ Am 22. Januar notierte sie: „Björn bleibt. Und wir werden hinter ihm stehen.“ Das angestrebte Parteiverfahren gegen Höcke bezeichnete sie als „ziemlich unverschämt“, der Bundesspitze warf sie „Spalterei“ vor. Am 13. Februar kommentierte sie die Debatte über den geplanten Ausschluss von Höcke. „Bin bei dir!“, schrieb sie zum Kommentar eines Parteifreundes, der erklärt hatte: „Ich bin echt stinksauer. (…) So eine Diskussion über Björn im Bundestagswahljahr anzuzetteln ist dilettantisch.“

Verfahren gegen Jens Maier

In Sachsen haben Petry und der sächsische AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer den Parteiausschluss des AfD-Bundestagskandidaten Jens Maier beantragt, der Richter am Dresdner Landgericht ist. Im Ausschlussantrag schreiben Petry und Wurlitzer: „Der Antragsgegner lobt mehrfach und beharrlich die NPD und ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass es sich um eine verfassungsfeindliche Partei handelt.“ In Sachsen-Anhalt hatte der Landtagsabgeordnete Jens Diederichs seinen Fraktionsaustritt Anfang Juni mit einem „Rechtsruck“ der AfD-Fraktion begründet und dabei unter anderem auf Kontakte zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ hingewiesen.

Quelle: Tagesspiegel

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