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Mai 08

Anschlussunterbringung von Flüchtlingen: Horrenberg entscheidet sich für zwei Standorte

Horrenbergs Ortschaftsrat hat nach langer Diskussion zwei Standorte, gegenüber dem Ortschaftshaus und in Nachbarschaft zur Schule (unser Bild), für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen festgelegt. Doch nach dem Rückzug des Eigentümers ist der Beschluss Makulatur. Foto: Pfeifer

Ortsvorsteher Harald Seib hatte alle Hände voll zu tun, die Sitzung gesittet über die Bühne zu bringen

Horrenberg. (rö) Es war der erwartete Ansturm: Über 100 Besucher füllten das Gemeindehaus in Horrenberg, um die Entscheidung des in weiser Voraussicht dorthin verlegten Ortschaftsrats über den Standort für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu verfolgen.

Ortsvorsteher Harald Seib hätte sich sicher einen schöneren Rahmen für seinen Geburtstag vorstellen können, hatte er doch alle Hände voll zu tun, die Sitzung gesittet über die Bühne zu bringen.

Aus den Reihen der Zuhörer kamen viele, auch sehr emotionale Nachfragen, die bei den Räten durchaus auf Verständnis stießen; leider gab es auch, selbst nach dem offiziellen Fragen-Teil, sehr viele unsachliche und heftige Kommentare und Zwischenrufe

(„Muss es genau vor meiner Haustür sein?“).

So musste Bürgermeister-Stellvertreter Christoph Udluft (CDU) an die Besucher appellieren: „Was wir heute nicht lösen können, ist die Bundespolitik.“

Die Entscheidung, die dann mit sieben zu zwei Stimmen (Gegenstimmen von Hans Bertich und Markus Grimm, beide CDU) und einer Enthaltung (Hans-Joachim Janik, SPD) fiel, zeigte, dass sich der Ortschaftsrat die Angelegenheit nicht einfach gemacht hat und die Bedenken der Bürger ernst nimmt: Anders als in Dielheim, wo bis zu 24 Menschen in den Wohnanlagen pro Standort untergebracht werden sollen, beschränkt man sich in Horrenberg am Standort Mühlstraße (gegenüber dem Ortschaftshaus, in der Nähe der Schule) auf maximal 16 Personen und will auf einem Privatgrundstück (Hinter den Zäunen) eine weitere Anlage für bis zu acht Menschen errichten – die endgültige Einigung mit dem Eigentümer vorausgesetzt.

Ortsvorsteher Seib widersprach zudem dem Eindruck einiger Bürger, dass der Standort Mühlstraße bereits in der Sitzung vom 3. April vom Tisch gewesen sei, nachdem schon dort viele Bedenken geäußert wurden.

Zuvor hatte Ordnungsamtsleiter Uwe Bender weitere mögliche Standorte vorgestellt, die von der Verwaltung auf Wunsch des Ortschaftsrats untersucht worden waren. Als nicht geeignet wurden ein Grundstück im Bereich des Horrenberger Friedhofs und der alte Sportplatz in Balzfeld eingestuft. Als theoretisch möglich, aber „sehr ungünstig von der Lage“ stufte die Verwaltung den Parkplatz am Balzfelder Sportplatz ein.

Favorit waren die drei erschlossenen Baugrundstücke in der Mühlstraße, die sich im Gemeindebesitz befinden. Außerdem hatte die Verwaltung Eigentümer von freien Grundstücken angeschrieben: Von 59 waren aber nur zwei bereit, mit der Gemeinde über eine Verpachtung zu verhandeln, einer zog am Tag der Sitzung „auf Druck seiner Nachbarn“, so Bender, sein Angebot wieder zurück. Bender bekräftigte, dass die Gemeinde nach wie vor an der Anmietung von Wohnungen und Häusern interessiert sei.

Wie schon im Dielheimer Gemeinderat (die RNZ berichtete) stellte er die geplanten Wohnanlagen in Leichtbauweise vor, die nach seinen Worten mit Containern nur wenig zu tun haben, sondern vielmehr „Einfamilienhaus-Charakter“ hätten.

Noch vor den Fragen der Bürger gab es, abweichend von der ursprünglichen Tagesordnung, zwei Sachvorträge: Peter Blaser berichtete zunächst für den Arbeitskreis Asyl Dielheim über dessen Arbeit. Ziel der circa zwei Dutzend Aktiven sei, „den Leuten den Start so einfach wie möglich zu machen“.

Inzwischen stünden die Ersten schon auf eigenen Füßen. Ein „emotional belegtes Thema“ sah Uwe Schrötel, der Leiter des Polizeireviers Wiesloch. Er berichtete, dass man von 1. Januar 2016 bis 31. März 2017 in ganz Dielheim genau vier Einsätze im Zusammenhang mit Flüchtlingen gezählt habe: Darunter sei keine einzige Straftat gewesen und lediglich eine Ruhestörung. Für das ganze Revier (zuständig für 144.000 Einwohner, darunter 3000 Flüchtlinge) berichtete Schrötel im selben Zeitraum von etwas mehr als 5800 Straftaten, darunter 330 Delikte, an denen Flüchtlinge beteiligt waren: Rund 200 hätten sich jedoch innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte zugetragen, „weil die sich gegenseitig auf den Nerv gegangen sind“. Schrötel bat deshalb darum, „die ganze Geschichte ein bisschen zu versachlichen“.

Harald Seib hatte darauf hingewiesen, dass im Jahr 2017 im gesamten Rhein-Neckar-Kreis 4000 Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung mit Wohnraum versorgt werden müssen, davon voraussichtlich 64 in der Gesamtgemeinde Dielheim. Das wolle man „menschenwürdig“ und „für das Wohnumfeld sozial verträglich“ tun. Anschließend wurde dann den Fragen und Ängsten der Bürger breiter Raum gegeben.

„Die Standorte sind für mich alternativlos“, sagte Martin Engelhardt (CDU), als die Entscheidung anstand. Er plädierte dafür, die Container mit einem Dach zu versehen, damit sie sich bestmöglich in die Bebauung einfügen. Außerdem hoffe man auf die Zuweisung von Familien.

„Der Standort an der Schule ist unter dem Strich der beste“,

sagte Josef Blum (SPD). Dass ein Eigentümer sein angebotenes Grundstück wieder zurückgezogen habe, „weil Druck auf ihn ausgeübt worden ist“, sei „echt bedauerlich“. Blum machte deutlich, dass man 2018 mit weiteren Flüchtlingen rechnen müsse, dann werde es sicher auch einen Standort in Balzfeld geben.

Und er bat darum, den Beschlussvorschlag nicht mit dem Wunsch nach Familien zu verknüpfen: „Da wird möglicherweise etwas Falsches suggeriert.“ Das sah auch Evelyn Görlitz (CDU) so:

„Die Garantie kann uns keiner geben.“ Trotzdem hoffte Hans Bertich, „dass Familien reinkommen“.

Der Vorschlag von Markus Grimm, schon in der Gemeinde wohnende Familien dort unterzubringen, wurde von Uwe Bender recht brüsk abgelehnt: „Wir sind hier nicht auf dem Basar.“ Als am Ende nach über zwei Stunden der Diskussionen die Entscheidung mit sieben zu zwei Stimmen fiel, sprach Ortsvorsteher Seib von einer „doch beachtlichen Mehrheit“. Unter den Besuchern, von denen die meisten die Sitzung dann verließen, wurde noch leidenschaftlich weiterdiskutiert.

Quelle: rnz

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