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Nov 04

Clan-Araber: Erst abgeschoben- nun wieder eingereist und Asylantrag gestellt

Ibrahim M. ist hochrangiges Clan-Mitglied in Bremen. Im Sommer gelang es, den Mann abzuschieben. Nun ist er zurück – und sucht Asyl.

Berlin/Bremen. Die Bundespolizei meldete den Erfolg ihrer Aktion sogleich dem Bundesinnenministerium. Seit 6.20 Uhr sei Ibrahim M. in einem Flieger auf dem Weg in Richtung Libanon, in einem extra gecharteten Jet. In dieser Julinacht 2019 hatten Spezialkräfte der Polizei den Mann in seiner Bremer Wohnung geweckt, festgenommen und abgeschoben.

Ibrahim M., heute 46 Jahre alt, gilt als einer der führenden Köpfe der sogenannten Mhallamiye-Clans. Die Sicherheitsbehörden rechnen den Gruppen schwere Straftaten im Bereich der Organisierten Kriminalität zu. 3000 Clan-Mitglieder sollen es nach Informationen unserer Redaktion allein in Bremen sein. Auch in Essen und Berlin sind Anhänger der Großfamilien aktiv.

Ibrahim M. selbst hat eine lange Strafakte, sie reicht von erpresserischem Menschenhandel bis Hehlerei und Körperverletzung. M. war zudem Chef der mittlerweile verbotenen Rockergruppe „Mongols“ in Bremen. 2014 verurteilte ein Gericht M. zu einer sechsjährigen Haft wegen Drogenhandels.

M. stellt einen Antrag auf Asyl

Seit der Julinacht waren die Behörden in Bremen erleichtert. M. war weg, abgeschoben in den Libanon. Doch nun – gut drei Monate später – ist er wieder da. M. meldete sich bei der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). M. stellt einen Antrag auf Asyl. Die Behörden bestätigten entsprechende Medienberichte.

Der Fall ist in der ohnehin hitzig geführten Asyldebatte brisant, wenn es Deutschland nicht gelingt, Schwerstkriminelle dauerhaft auszuweisen. Gerade gegen kriminelle Clans will die Politik Entschlossenheit demonstrieren. Oder hat der Staat im Fall M. selbst Fehler gemacht?

Um dem Fall auf die Spur zu kommen, muss man eintauchen in die Vita des Clan-Anführers. Und in das deutsche Asylrecht.

Zu Tausenden aus dem Libanon geflohen

Seit 1986 ist Ibrahim M. in Deutschland, damals war er gerade 13 Jahre alt. Wie viele Mitglieder der Mhallamiye, die in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg im Libanon aus ihren Dörfern in der anatolischen Türkei über Syrien in den Libanon ausgewandert waren, floh die Familie nach Deutschland.

Das Bundesamt lehnte den Antrag der Familie auf Asyl laut einem Bericht des „Spiegel“ damals ab. Und doch blieb Ibrahim M. wie viele andere aus den Mhallamiye-Familien in Deutschland. Der Grund: Den Behörden hierzulande fehlten Ausweisdokumente, um die Staatsangehörigkeit der Menschen zu belegen. Staatenlose darf Deutschland nicht abschieben. Die Familien erhielten eine Duldung nach der anderen. Über Jahrzehnte.

Ibrahim M. ist zurück – und will Schutz in Deutschland. Sein Anwalt begründet dies gegenüber Medien mit einem „Blutrachekonflikt“ mit einem rivalisierenden Clan, der im Libanon durch die mächtigen Hizbollah-Milizen unterstützt werde. M. sei nach seiner Abschiebung im Libanon bedroht worden.

Bamf behandelt den Fall mit hoher Priorität

Das Bamf stuft den Fall hoch ein – nicht die Außenstelle in Bremen soll über den Antrag entscheiden, sondern die Zentrale in Nürnberg. Und das möglichst schnell. Denn Ibrahim M. sitzt bis Anfang Dezember in Abschiebehaft. Die Uhr für die Ausländerbehörden tickt – Abschiebehaft ist zeitlich eng begrenzt.

Dennoch halten es Experten im Gespräch mit unserer Redaktion für möglich, dass das Bundesamt zu einer schnellen Entscheidung kommt. Üblich sei es, dass Asylsuchende direkt durch Beamte in der Abschiebehaft zu ihrem Antrag interviewt würden.

Die Polizei hatte Ibrahim M. kurz nach seiner Meldung beim Bamf festgenommen. Der Grund: illegale Einreise. M. darf eigentlich nach seiner Abschiebung im Sommer für sieben Jahre nicht nach Deutschland zurückkehren. Nun soll er mit Hilfe von Schleppern über Syrien und die Türkei über Osteuropa nach Bremen gelangt sein.

War die Abschiebung rechtens?

Zudem will der Anwalt gegen die Abschiebung im Sommer rechtlich vorgehen und nennt diese „menschenrechtswidrig“, weil M. in der Nacht keinen Anwalt als Beistand anrufen konnte. Ihm seien die Augen verbunden worden sowie die Ohren „verstöpselt“.

Bei der Ausweisung eines Ausländers aus Deutschland müssen die Behörden abwägen. Auf der einen Seite steht die Sicherheit Deutschlands, die durch einen Schwerkriminellen bedroht ist. Der Staat darf auch das Instrument der Abschiebung und Ausweisung nutzen, um Gefahren abzuwehren. Die Bremer Behörden bescheinigten M. nach Informationen unserer Redaktion eine „hohe kriminelle Energie und Sozialschädlichkeit“.

Auf der anderen Seite steht jedoch das Bleiberecht der Person. Dabei ist entscheidend, wie stark etwa die Familie eines Menschen durch die Ausweisung auseinandergerissen wird – und welchen Schaden etwa Kinder durch den fehlenden Vater erleiden.

Ibrahim M. hat eine Frau und ein Kind im Schulalter in Deutschland. Doch im Zusammenhang mit der Abschiebung im Sommer sahen die Behörden darin kein Abschiebehindernis und zweifelten an der Enge der Kontakte zwischen Vater und Kind.

Gericht sieht keinen Grund für Haftbefehl

Die Strafakte von Ibrahim M. ist eindeutig – doch die Rechtslage, mit der nun die deutschen Behörden konfrontiert sind, ist komplex. Zunächst muss das Bamf prüfen, ob die Bedrohung von M. im Libanon ernstzunehmen ist. Dafür dürfte das Bundesamt auch die dortige Botschaft in Beirut konsultieren.

Zudem ist offen, wie es in der Strafsache M. weitergeht. Der Mann war 2014 wegen Drogenhandels verurteilt worden und kam Ende 2018 auf Bewährung frei – ein halbes Jahr vor der Abschiebung. Ein Bremer Gericht beschied Ibrahim M. eine „positive Sozialprognose“.

Diese Prognose ist im Sommer offenbar bei der Entscheidung für die Abschiebung nicht von den Behörden berücksichtigt worden. Unklar bleibt, warum nicht. Auch das könnte nun in einem Verfahren von M. gegen die damalige Abschiebung eine Rolle spielen.

Trotz Warnung gelang M. die Flucht

Andererseits könnte die illegale Einreise dem einflussreichen Clan-Mitglied Schwierigkeiten bereiten – und die Reststrafe aus seinem früheren Verfahren verhängt werden. Die Behörden müssen die Bewährungsauflagen nun prüfen.

Die Polizei hält Ibrahim M. weiterhin für gefährlich. Doch die Beamten mussten einen Dämpfer hinnehmen. Das Amtsgericht sah rechtlich keinen Grund für einen Haftbefehl – die Richter sehen keine Fluchtgefahr oder die Gefahr des Abtauchens.

Nach Informationen unserer Redaktion stößt diese Entscheidung des Gerichts in Polizeikreisen auf Unverständnis. Und noch etwas sorgt für Irritation. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, habe Deutschland nach der Abschiebung von M. in den Libanon mehrere Länder entlang der Balkanroute vor M. gewarnt. Man ahnte in Deutschland offenbar, dass der Mann zurückkehren könnte. Nun hat er es geschafft – trotz der Warnungen.

Zuletzt hatte es in Bezug auf Clan-Aktivitäten Schlagzeilen zu Geschäftspraktiken gegeben, denn Clans eröffnen Friseurläden und auch Kioske stehen im Fokus der Polizei.

Quelle: morgenpost

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