«

»

Apr 15

Fast die Hälfte der Migranten auf Balkanroute sind Afghanen

Offenbar sind zunehmend Familien auf der Balkanroute unterwegs, die meisten aus Afghanistan. Sie versuchen vor allem, über Bosnien-Herzegowina in das EU-Land Kroatien zu gelangen. Quelle: WELT

Als die Europäische Union (EU) vor rund drei Jahren mit der Türkei den Flüchtlingsdeal abgeschlossen hat, lag ihr Augenmerk auf Syrien. Rund 4,8 Millionen Menschen aus dem Land waren damals laut UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UN), auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. Allein in der Türkei hielten sich mehr als 2,7 Millionen Syrer auf.

Eigens für sie wurden im EU-Türkei-Abkommen beschleunigte Rückführungsverfahren vereinbart. Doch mittlerweile gelangen über die Balkanroute kaum noch Syrer in die EU, sondern vor allem Afghanen, für die die Regelungen zur schnellen Rückführung nicht greifen.

Nach Angaben des UNHCR kamen in diesem Jahr bis Anfang April 8604 Flüchtlinge nach Griechenland, davon knapp 5500 auf dem Seeweg. Von ihnen stammten 11,6 Prozent aus Syrien. Fast die Hälfte (47,1 Prozent) kommt aus Afghanistan. 2016, als der Deal mit der Türkei geschlossen wurde, erreichten mehr als 173.000 Flüchtlinge Griechenland über den Seeweg. Damals stammten 47 Prozent von ihnen aus Syrien, 24 Prozent aus Afghanistan.

In der Bundesregierung und in deutschen Sicherheitskreisen ist man über die hohe Prozentzahl an afghanischen Flüchtlingen besorgt. Nach WELT-Informationen haben Experten des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration (GASIM) ihre Sorge bereits im Februar im Kanzleramt vorgetragen – in der Nachrichtendienstlichen Lage, einer wöchentlichen, geheimen Sitzung des Kanzleramtschefs mit den Chefs der Sicherheitsbehörden.

Auch das Auswärtige Amt schrieb zuletzt in einer vertraulichen Nachricht aus Athen, man müsse Griechenland unbedingt helfen, Afghanen zurückzuführen. In diesem sogenannten Drahtbericht wird darauf verwiesen, dass sich die Zahl der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgeführten Flüchtlinge und Migranten 2018 auf „nur noch 322 Personen“ halbiert habe. Das entsprach einem Prozent der Ankünfte.

Es werde „absehbar auch 2019 nicht gelingen, die Rückführungsquote erheblich zu steigern“. Als Grund wird in dem Schreiben unter anderem der „stark gesunkene Anteil“ syrischer Flüchtlinge genannt. Verwiesen wird auch auf den hohen Anteil von Afghanen sowie auf Flüchtlinge aus den palästinensischen Autonomiegebieten und aus dem Irak, die „alle über eine hohe Schutzquote“ verfügten und „deshalb nur zu einem sehr geringen Anteil“ in die Türkei zurückgeführt werden könnten.

In dem Dokument werden auch „Handlungsempfehlungen“ gegeben. So sollen mit dem griechischen Migrationsministerium „Kooperationsmöglichkeiten bei der Rückführung in Heimatländer (insbesondere AFG [Afghanistan, Anm. d. R.])“ sondiert werden. Außerdem solle die Kommunikation „im Bereich Flucht und Migration mit Bezug zu AFG“ verstärkt werden.

WELT AM SONNTAG hatte bereits im März berichtet, dass der Kern des EU-Türkei-Deals, nämlich die Rückführungen in die Türkei, gescheitert ist. Das Abkommen galt lange als wichtigster Bestandteil der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Durch den hohen Anteil afghanischer Flüchtlinge dürfte der Deal weiter an Bedeutung verlieren. De facto fehlt der EU auch drei Jahre nach dem Höhepunkt der Krise ein eigenständiger Außengrenzschutz.

Auch das Bundesinnenministerium verfolgt die Entwicklungen in Griechenland. Am Freitag teilte das Ministerium mit, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze für weitere sechs Monate angeordnet hat. Auf Twitter schrieb das Haus: Die Fortsetzung der Kontrollen erfolge wie bisher „in enger Abstimmung“ mit den zuständigen Ministerien in Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen.

Quelle: Welt

Schreibe einen Kommentar

Close