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Aug 18

Groko-Sorgen vor den Ost-Wahlen: CDU und SPD drohen herbe Niederlagen

Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz und der Chef des Kanzleramts Helge Braun vor einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt. (Quelle: imago images)

Bei der SPD dauert die Suche nach einer neuen Spitze quälend lange, die CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer verstolpert am Wochenende fast ein weiteres Thema. Bei den Landtagswahlen im Osten drohen Tiefschläge.

Es steht mal wieder ein Herbst der Entscheidung an für die notorisch zerstrittene schwarz-rote Koalition. In zwei Wochen wählen die Menschen in Sachsen und Brandenburg neue Landtage. CDU und SPD drohen empfindliche Klatschen – die Rechtspopulisten stehen vor historischen Erfolgen. Unklar ist es, welche Auswirkungen das auf die Statik der im Wackelmodus regierenden Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben wird. Und auf die Stimmung an der Parteibasis. Zumal die SPD bis Dezember entscheiden will, ob sie überhaupt an der Regierung bleibt – oder die Koalition nicht vorzeitig verlässt.

Politische Erfolge wären in einer solchen Lage für jene in Union und SPD, die an der Regierung festhalten wollen, dringend nötig. Doch zum ersten Treffen der Koalitionsspitze nach der Sommerpause am Sonntagabend wirken die Spitzen von CDU und SPD zeitweise wie durch den Wind, nervös und flatterig.

Unmut nach Maaßen-Äußerung

Beispiel CDU: Zu Beginn der Sommerpause hatte die neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einbrechenden Beliebtheitswerten und anschwellender interner Kritik einen Befreiungsschlag versucht. Entgegen früherer Beteuerungen, sie werde sich auf die CDU-Führung konzentrieren, rückte sie auf den Schleudersitz an der Spitze des Verteidigungsministeriums.

Unmittelbar vor dem Treffen des Koalitionsausschusses, mit dem Schwarz-Rot eigentlich Aufbruchstimmung vermitteln will, muss AKK dann ein neuerliches Kommunikationsdesaster verkraften. Den ganzen Samstag sind sie und ihre Mitarbeiter beschäftigt, das Echo eines Interviews mit der Funke-Mediengruppe einzufangen.

Die Journalisten hatten die CDU-Vorsitzende angesichts des mit Querschüssen nervenden Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gefragt, ob sie über ein Ausschlussverfahren nachdenke. Als die Meldungen zu ihrer Antwort mit dem Tenor „Kramp-Karrenbauer bringt Ausschluss von Maaßen ins Spiel“ in den Nachrichten laufen, sind Aufregung und Empörung vor allem unter den Unionswahlkämpfern in den Ostländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen groß.

Kramp-Karrenbauer in der Defensive

Auch CDU-Vorstandsmitglieder aus dem Westen, die ungenannt bleiben wollen, reagieren fassungslos. Ein solches Interview helfe gerade im Osten der CDU überhaupt nicht, heißt es da. Zumal Maaßen in Sachsen CDU-Wahlkampf macht – und dort mit seinen migrationskritischen Thesen bei Teilen der Anhänger prima ankomme. Und man sich selbst nach intensivem Nachdenken nicht an Maaßen-Sätze erinnern könne, die ein Ausschlussverfahren rechtfertigen würden, sagen Vorstandsmitglieder.

Tatsächlich hatte AKK in ihren Antworten auf die Interviewfragen kein Ausschlussverfahren verlangt oder gar angekündigt. Doch in diesen Zeiten mit aufgeregten Reaktionen in den sozialen Medien reicht oft schon ein missverständliches Wort oder eine nicht ganz klar ausgedrückte Äußerung, um Empörungswellen anzuschieben. Wie in den ersten Monaten als Parteichefin, wo sie mit ungeschickten Reaktionen auf die CDU-Kritik des Youtubers Rezo oder mit Äußerungen zur Meinungsfreiheit für Entrüstungsstürme gesorgt hatte, steckt Kramp-Karrenbauer erstmal in der Defensive.

Und die SPD? Nach Wochen gefühlter Lethargie ist das Bewerberkarussell für eine künftige SPD-Doppelspitze in Schwung gekommen. Doch auch hier gilt: Bis zum Parteitag im Dezember, der die Entscheidung über die neue SPD-Führung und wohl auch den Verbleib in der Koalition bringen soll, stehen noch Wochen der Unsicherheit und des internen Wahlkampfes an. Für die Lösung von Sachproblemen und eine stabile Regierung dürfte ein solch ungeklärter Zustand Gift sein.

Fortbestand der großen Koalition?

Immerhin gibt sich Finanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz bei einem Auftritt beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz am Sonntag gewohnt gelassen. Ungewöhnlich gefühlig wird der sonst als eher nüchtern bekannte Norddeutsche, als er seine überraschende Kandidatur für den SPD-Vorsitz begründet. Er sei seit seinem 17. Lebensjahr Sozialdemokrat. „Ich spür‘ das tief in meinem Magen, was da gegenwärtig an Umfragewerten zu verzeichnen ist und möchte alles dazu beitragen, dass sich das ändert“, sagt er.

Auch für den Fortbestand der großen Koalition dürfte die Kandidatur von Scholz von besonderer Bedeutung sein: Bei nahezu allen anderen Bewerber-Duos ist eher davon auszugehen, dass mit ihnen der Ausstieg näherrücken würde. Scholz dagegen will weiterregieren. Auf den Finanzminister dürfte es auch wesentlich ankommen, ob die Regierung bei zentralen Streitthemen wie der Grundrente oder dem Abbau des Solidaritätszuschlags noch weitreichende Kompromisse hinbekommt.

Auch für CSU-Chef Markus Söder hängt viel am Erfolg der GroKo, auch die CSU bangt den Wahlen im Osten entgegen. Nur in Regierungsverantwortung im Bund kann die CSU ihren Sonderstatus in Bayern aufrecht erhalten. Dabei baut Söder vor, damit seine CSU nicht unvorbereitet in eine mögliche Neuwahl schlittert.

Die Kunst der Geduld

Seit Wochen biegt der CSU-Chef seine konservative Partei auf den grünen Pfad, gibt sich als Retter von Tierarten und Weltklima. So werde es für die CSU leichter, sich im Fall der Fälle einem Bündnis mit den seit Monaten starken Grünen zu öffnen – zumindest durch thematische Überschneidungen. Aus diesem Grund ist auch das sonntägliche Treffen der Parteichefs für Söder wichtig – es sollte ein Fahrplan für eine neue Klimaschutzgesetzgebung erstellt werden. Diese – das wissen sie in der CSU – könnte am Ende auch für die große Koalition überlebenswichtig werden.

Merkel präsentierte sich am Sonntag bei einem Rundgang zum Tag der offenen Tür im Kanzleramt betont gelassen. Sie pries die Kunst der Geduld an, die man immer wieder neu erlernen müsse, und gab Einblicke in Verhandlungstaktik.

Eine Regel kennen auch Familien im Umgang mit Kindern, wie Merkel sagte. „Wenn Eltern abends ausgehen wollen und wollen, dass die Kinder schnell ins Bett gehen, dann geht das meistens schief, weil die Kinder riechen das und brauchen besonders lange“, sagte sie. „Genauso ist es in der Politik. Wenn derjenige, mit dem man verhandelt, spürt, dass ich ungeduldig bin, dann wird’s garnüscht“, so Merkel. „Ungeduld riecht man.“

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