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Nov 08

Migration: Sprengstoffanschläge und Schießereien in Schweden schon fast alltäglich

Der abgesperrte Tatort in Malmö, an dem Karolin Hakim am 26. August ermordet wurde.
Foto: AFP / Johan Nilsson

Am Wochenende gab es allein in Malmö drei Bombenanschläge. Die Polizei will handeln, die Nachbarländer warnen vor „schwedischen Verhältnissen“

Karolin Hakim hielt ihr Baby im Arm, als sie von den tödlichen Schüssen getroffen wurde, an einem Vormittag im August dieses Jahres mitten in einem Wohnviertel in Malmö. Der Mord an der jungen Frau ist seither in Schweden allgegenwärtig – als Symbol eskalierender Bandenkriminalität, die keine Rücksicht mehr kennt.

Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen von Schusswechseln oder Sprengstoffanschlägen. So gab es am vergangenen Wochenende allein in Malmö drei Bombenanschläge, bei denen zum Glück niemand verletzt wurde. Für das erste Halbjahr 2019 verzeichnet die Polizeistatistik eine Rekordzahl von 120 Sprengstoffanschlägen, im Vergleich zu 83 im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Bei Schießereien im Bandenmilieu kamen bis Ende Juni 25 Menschen ums Leben. Betroffen ist neben den Großstädten in wachsendem Maße auch die Provinz.

Beim Phänomen der Sprengstoffanschläge sind Erkenntnisse über Täter und Motive noch vergleichsweise gering. Umso klarer ist das Bild bei der Schusswaffengewalt. Protagonisten der vielfach um Rauschgift geführten Bandenkriege sind zumeist junge Männer mit Migrationshintergrund. Das Risiko, Opfer einer Schießerei zu werden, ist für Jugendliche und Männer zwischen 15 und 29 Jahren laut einer 2018 publizierten Vergleichsstudie nirgendwo in Westeuropa so hoch wie in Schweden.

Magere Aufklärungsquoten

Mit Blick auf die jüngste Gewalteskalation hat Landespolizeichef Anders Thornberg am Mittwoch „weitreichende Beschlüsse zur Stärkung der Handlungskraft der Polizei“ angekündigt. Ein kriminelles Leben zu führen, so Thornberg, werde künftig „enorm anstrengend sein“. Bislang sind die Polizeibilanzen unbefriedigend. So wird gerade einmal jeder fünfte Mord im Bandenmilieu aufgeklärt – vor allem, weil potenzielle Zeugen schweigen.

Als weiteren hervorstechenden Trend nennen Polizei und Justiz die gezielte Rekrutierung immer jüngerer Täter für Verbrechen bis hin zum Mord. Nebenher überfallen kriminelle Minderjährige Gleichaltrige, vorzugsweise in gutsituierten Wohnvierteln. Mit 637 angezeigten Raubüberfällen auf Kinder und Jugendliche verzeichnete der staatliche Beirat für Kriminalitätsbekämpfung für das zweite Jahresquartal einen weiteren traurigen Rekord.

Kein Vertrauen in die Politik

Unter Schwedens Wählern ist „Gesetz und Ordnung“ zum wichtigsten Thema aufgestiegen. Allerdings glauben laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos sechs von zehn Befragten nicht, dass die Politik der Gewalt Herr werden kann.

Die rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Stefan Löfven hat einen 34-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem strengere Strafen vorsieht und anregt, Kronzeugenregelungen und anonyme Zeugenaussagen als juristische Methoden zu prüfen. Die liberal-konservativen Moderaten wollen zudem eine Senkung des derzeit bei 15 Jahren liegenden Strafmündigkeitsalters untersuchen.

Für raschere Abschiebungen

Eindeutig für eine frühere Strafmündigkeit sprechen sich bisher nur die Schwedendemokraten aus. Mit dem Ruf nach „harten Bandagen“, wozu auch die rasche Abschiebung krimineller Ausländer gehört, hat die Rechts-außen-Partei in Umfragen weiter an Sympathien gewonnen und liegt jetzt nahezu gleichauf mit den führenden Sozialdemokraten.

In Norwegen und Dänemark wächst unterdessen die Angst, die in beiden Ländern schon sprichwörtlichen „schwedischen Zustände“ könnten über die Grenzen schwappen. Die norwegische Krimiautorin Anne Holt beklagte kürzlich in der Zeitung Dagens Nyheter, „das Bild von Schweden als gescheiterter Nation“ habe sich in Norwegen stark festgesetzt – viele Landsleute blickten nur mehr mit Häme auf das Nachbarland.

Dänische Grenzkontrollen

In Dänemark haben in diesem Jahr Explosionen und Morde im Großraum Kopenhagen für Aufsehen gesorgt. In mehreren Fällen stammen die Tatverdächtigen aus Schweden. Als Konsequenz führt Dänemark zum 12. November Kontrollen an der Grenze zu Schweden ein. „Wir sehen in Schweden eine beunruhigende Entwicklung „, begründete Justizminister Nick Hækkerup die Maßnahme. „Dies darf sich nicht auf Dänemark ausweiten.“ (Anne Rentzsch aus Stockholm, 7.11.2019)

Quelle: DerStandard

 

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