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Jan 18

München: Wie Sulaiman S. seiner kleinen Frau 3 Mal das Messer in den Kopf rammte

Messer in einem Schädel einer Frau, symbolhafte Verwendung

Man mag sich das gar nicht vorstellen: Er, ein kräftiger Mann von 110 Kilogramm, seine Frau zwei Köpfe kleiner, beide über 60 Jahre alt. Ja, sagt die Frau, er habe sie ständig geschlagen, mit der Hand, mit der Faust, mit den Füßen getreten und zuweilen auch gebissen. „Dass man geschlagen wird, ist normal im Irak“, sagt die 64-Jährige.

Aber dass Sulaiman S. ihr ein Küchenmesser zwei- oder dreimal in den Kopf gerammt hat, das war selbst der gepeinigten Frau zu viel. „Warum hast du mir das angetan“, fragt sie den Angeklagten immer wieder und weint. Und: „Mit ihm möchte ich nicht mehr leben.“ Wenn die große Schwurgerichtskammer am Landgericht München I den 67 Jahre alten Sulaiman S. des versuchten Mordes für schuldig befindet, könnte sich das Thema Zusammenleben für die nächsten drei bis 15 Jahre ohnehin erledigt haben.

Es sind unterschiedliche Sprachen und Sitten, die am Freitag in Saal B 175 aufeinandertreffen. Da ist zum Beispiel ein irakischer Zeuge, der am Tag der Tat im März 2018 in der Wohnsitzlosenunterkunft in Riem in der Küche zugange war und die blutüberströmte Frau über den Gang flüchten sah. „Ich habe ihr eine Tischdecke gegeben wegen dem Blut“, erzählt er. „Ruf meine Kinder an, ich sterbe“, habe sie gesagt. „Aber ich hatte keine Nummer. Ich ging dann wieder in die Küche“, sagt der Mann vor Gericht. Es sei ein Streit zwischen einem Ehepaar gewesen. Später habe er an der Türe von Sulaiman S. geklopft, er habe aber nichts gesagt und sei ruhig gewesen. „Es ist ja schön, dass man in ihrem Kulturkreis Älteren Respekt zollt. Aber hier geht es um die Wahrheit“, sagt Richter Michael Höhne eindringlich. Denn bei der Polizei hatte der Zeuge ausgesagt, Sulaiman S. sei aggressiv und seine Augen gerötet gewesen.

Ja, ihr Mann habe getrunken. Und besonders schlimm sei es noch im Irak gewesen, wenn er beim Glücksspiel Geld verloren hatte und er schlecht gelaunt nach Hause kam, erzählt die Ehefrau im Zeugenstand. Auch am Tattag hatte er getrunken. Sie sei auf ihrem Bett gesessen und habe ihre Gebetskette in der Hand gehalten. Sulaiman S. sei am Tisch gesessen, wo noch das Geschirr vom Abendessen stand. Dann sei er zu ihr gegangen und habe mit der einen Hand ihren Kopf zu ihm gezogen. Im Krankenwagen soll die Frau später ihrem Enkel erzählt haben, dass Sulaiman S. gesagt habe, er wolle ihr aus Ehrerbietung einen Kuss auf den Kopf geben. Tatsächlich habe S. ein Messer hinter dem Rücken gehalten.

Zweimal habe ihr Mann plötzlich zugestochen, dann habe sie versucht, nach dem Messer zu greifen, wobei sie noch Schnittwunden an den Händen erlitt. Im Gerangel sei das Messer zu Boden gefallen, sie habe es ergriffen und sei aus dem Zimmer geflohen. Ob Sulaiman S. ihr nicht nachsetzte, weil er seine Unterschenkelprothese nicht trug, konnte das Gericht mit Hilfe der Ehefrau nicht klären. Im Freien sackte die Frau auf den Boden und weinte. Der Sicherheitsdienst verständigte Polizei und Rettung.

Was das Wort „psychisch“ bedeutet, weiß die 64-Jährige nicht. Sie habe immer noch Schmerzen, starke Konzentrationsprobleme. „Ich zittere ständig, habe immer Angst“, sagt sie. „Vor was?“, fragt Höhne. „Ich weiß es nicht“, antwortet sie, „die Angst ist in mir.“

Quelle: Süddeutsche

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