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Dez 09

Prozess in Hamburg: Kita kündigt Erzieherin wegen Kopftuchs

Eine Erzieherin mit Kopftuch bastelt mit Kindern in einer Kita (Symbolbild).
Quelle: pa/dpa

Eine zum Islam konvertierte Frau bangt um ihren Job, weil sie bei der Arbeit in einer Hamburger Kindertagesstätte ein Kopftuch tragen möchte. Nun beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof mit dem Fall.

Die Heilerzieherin war einige Jahre für den privaten Hamburger Kita-Träger Wabe tätig. 2011 entschied sie sich, zum Islam zu konvertieren. Als sie nach der Geburt ihres ersten Kindes in Elternzeit war, beschloss sie, ein Kopftuch zu tragen – auch nach der Elternzeit bei ihrer Arbeit in der Kindertagesstätte. Dort wurde es aber als Verstoß gegen das hauseigene Neutralitätsgebot gesehen. Ihr Arbeitgeber mahnte sie ab und kündigte ihr. Zunächst hatte die „Mopo“ darüber berichtet.

Der Verein Wabe bezeichnet sich als überkonfessionell und offen gegenüber religiösen Menschen. „Die Beschäftigung mit kultureller Vielfalt ist Teil unserer Bildungsempfehlungen. Christliche Feste können genauso thematisiert und gefeiert werden wie andere Feste, etwa das Passahfest der Juden oder das Zuckerfest der Muslime“, sagt Wabe-Sprecherin Katja Wohlers.

Erzieher müssten sich aber an eine klare Linie halten. „Unsere Mitarbeiter sind Vorbilder und beeinflussen mit ihren Worten und Taten das Denken und Handeln der uns anvertrauten Kinder. Daher ist das sichtbare Tragen religiöser Symbole – gleich aus welcher Religion – für die Erzieher in den Einrichtungen der Wabe während der Arbeit nicht zulässig.“

Unter den gut 490 Erzieherinnen des Vereins seien auch zahlreiche Muslimas, die sich an die Vorgaben des Trägers halten.

Rechtsanwalt der Erzieherin spricht von Trick

Der Rechtsanwalt der Erzieherin, Klaus Bertelsmann, ist empört. Zuvor habe es dieses Neutralitätsgebot nämlich noch nicht gegeben. „Es wurde extra erlassen, als man wusste, sie kommt wieder“, sagt Bertelsmann und bezeichnet dies als Trick. Seine Mandantin habe ihr Kleinkind in dieselbe Kindertagesstätte zur Betreuung gebracht. Dabei habe sie auch immer ein Kopftuch getragen. Ihr Arbeitgeber habe somit wissen müssen, dass sie bei ihrer Rückkehr zur Arbeit auch mit Kopftuch erscheinen wird.

Bertelsmann ist Fachmann für Gleichberechtigung und ist mit der Erzieherin gegen die Abmahnungen und die Kündigung vorgegangen. Zunächst landete das Verfahren beim Arbeitsgericht Hamburg. Das wiederum hat den Fall nun dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt.

Da die Erzieherin mittlerweile ein zweites Mal schwanger ist und nachweisen konnte, dass sie bereits vor der Kündigung schwanger war, musste diese zurückgezogen werden. So bekommt sie wieder ihren Lohn, arbeiten darf sie dennoch nicht, da Wabe sie vorerst vom Dienst freigestellt hat. „Wenn der Arbeitgeber sie unbedingt nicht im Betrieb haben will, dann kostet das halt Geld. Sie sind ja daran schuld, dass sie nicht arbeitet oder arbeiten kann“, sagt ihr Rechtsanwalt dazu.

„Es schon sehr seltsam. Sie macht ihren Job. Sie macht ihn mit Kopftuch, ohne Kopftuch, hat ihn bisher immer gemacht. Da gehen Kinder in die Kindertagesstätte, die natürlich auch zu Hause muslimische Mütter haben, auch mit Kopftuch, und in der Kindertagesstätte werden sie dann von dem abgeschirmt, was in der Welt passiert.“ Dennoch kann er nachvollziehen, warum Wabe an der Freistellung festhält. Es sei inkonsequent, sie nach den Abmahnungen und der versuchten Kündigung wieder arbeiten zu lassen. „Man könnte theoretisch versuchen, sich mit einer einstweiligen Verfügung zu wehren, aber vielleicht lenkt der Arbeitgeber ja doch irgendwann mal ein.“

An kommunalen Kindertagesstätten ist das Tragen eines Kopftuches seit 2016 durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erlaubt, sofern es nicht bei der Arbeit behindert. Bei privaten Trägern ist noch unklar, ob ein Neutralitätsgebot für ein Verbot ausreicht.

Vorerst kämpft die Erzieherin weiter gegen die Abmahnungen. Nach Erfahrungen des Rechtsanwaltes könne es etwa anderthalb Jahre bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dauern. Danach würde das Arbeitsgericht das Verfahren fortführen.

Quelle: welt

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