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Mrz 22

Rechtsruck?: „Weltoffenheit“ wird in den Niederlanden gerade neu definiert

Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden ist der befürchtete Rechtsruck ausgeblieben. Politiker in ganz Europa zeigen sich erleichtert. Was lässt sich aus dieser Wahl für den Kampf gegen Populismus lernen? Quelle: N24/Eybe Ahlers

Das niederländische Wahlergebnis war eine Absage an den Rechtspopulismus. Wirklich? Premier Mark Rutte gewann auch, weil er sich stellenweise als „Geert Wilders light“ präsentierte. Und das wird Folgen haben.

Die Erleichterung über das Ergebnis der niederländischen Parlamentswahl war groß im liberalen Europa. Die Bürger hatten nicht so zahlreich für den Rechtspopulisten Geert Wilders gestimmt wie befürchtet – dessen PVV war in Umfragen monatelang die stärkste Partei gewesen.

Wilders gewann zwar Sitze hinzu, aber mit 13 Prozent der abgegebenen Stimmen reichte es nur zu einem zweiten Platz – mit deutlichem Abstand zum Wahlsieger, dem rechtsliberalen Premier Mark Rutte.

Prompt freute sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass „das niederländische Volk mit überwältigender Mehrheit für die Werte gestimmt hat, für die Europa steht“. Und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz befand, Wilders’ „unsägliche Haltung gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen“ sei „eine klare Absage erteilt worden“.

Am weitesten ging die bislang nicht als Niederlande-Kennerin aufgefallene Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), die verkündete: „Unsere Nachbarn haben sich für einen weiterhin liberalen, weltoffenen und fortschrittlichen Weg des Zusammenlebens entschieden.“

Mark Ruttes „guter Populismus“

Doch das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Zwar konnten Linksliberale und Grün-Links zulegen, aber das Parlament insgesamt ist konservativer geworden. Übertragen auf deutsche Verhältnisse, steht gut ein Drittel aller Abgeordneten rechts von der CDU Angela Merkels.

Und Mark Rutte hat die Wahl auch gewonnen, weil er sich teilweise als „Geert Wilders light“ präsentierte: Er setzte auf die gleichen Themen wie sein rechtspopulistischer Rivale, nämlich nationale Identität, Integration und Migration, bot aber moderatere Lösungen an. Dass er Erdogans Minister entschlossen zurückwies, wurde besonders belohnt.

Auch Rutte hat seine populistische Seite. Schon 2010 kündigte er an, er wolle „das Land zurückgeben an die hart arbeitenden Niederländer“. Und am Wahlabend sagte er mehrfach, die Bürger hätten Nein gesagt zu einer „verkehrten Art von Populismus“. Was implizierte: Es gibt auch einen „guten Populismus“, nämlich seinen eigenen, der ihn schließlich zum klaren Wahlsieger machte.

„Verhaltet euch normal oder geht!“

Exemplarisch dafür war sein offenen Brief „An alle Niederländer“, abgedruckt in ganzseitigen Anzeigen in den großen Zeitungen des Landes. Darin hieß es: „Wir empfinden wachsendes Unbehagen, wenn Menschen unsere Freiheit missbrauchen, um den Laden durcheinanderzubringen, obwohl sie doch gerade wegen dieser Freiheit hergekommen sind.“

An diese gerichtet, schrieb er: „Verhaltet euch normal oder geht!“ Normal sei, dass man einander die Hand schüttelt, dass man anständig zuhört, statt andere niederzuschreien; dass man Lehrer respektiert; nicht auf Hilfe baut, sondern für sein Geld arbeitet und versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen, so der Premier. Jeder Wähler wusste, wer hier vor allem gemeint war: marokkanische und türkische Jugendliche.

Entsprechend formulierte Rutte, was er für „nicht normal“ hält: Menschen, die glaubten, immer Vorfahrt zu haben, Abfall auf die Straße werfen, Busfahrer bespucken, in Gruppen herumhängen und andere bedrohen oder gar misshandeln; Menschen, die Homosexuelle belästigen, Frauen in kurzen Röcken hinterherpfeifen oder „normale Niederländer als Rassisten bezeichnen“.

Fraglich, ob Martin Schulz und Malu Dreyer diesen Brief unterschreiben würden. Undenkbar, dass die Bundeskanzlerin sich in so einem Ton an die Deutschen wendet.

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